Röyksopp – The Understanding

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Röyksflop

Manchmal kommt da eine Platte an, die mag ich einfach nicht. Ich hol sie aus der Pappe raus, leg sie auf den Plattenteller, und hör mal durch. Wie im Laden fast, nur ohne Kopfhörer. Überall mal ne halbe Minute lang die Nadel reinhalten und gucken, wie der erste Eindruck so ausfällt. Ganz selten mal kommt dann die Ernüchterung. Weils nichtssagend ist, oder weils bemüht ist, einfallslos, oder sonstwie nicht mit mir kompatibel.

Das finde ich dann ziemlich irritierend. Entweder weil ich mich dann wohl beim Vorhören ziemlich geirrt haben muss, oder weil ich vorher gar nix gehört habe und dann das, was ich bekomme, so rein gar nicht dem entspricht, was ich erhofft hatte.

In beiden Fällen doof. Aber ich hab ja auch gelernt, vorsichtig zu sein, nicht zu schnell zu urteilen, das Urteil zu hinterfragen. Nur zu gut erinnere ich mich an den Tag, als Anja da war und ich ihr ein paar Platten vorstellte und dann, als ich sagte, und die hier ist richtig blöd, über die hab ich mich geärgert, und als ich sie dann auflegte, da musste ich feststellen, dass sie gar nicht so blöd ist, sondern eigentlich zugegebenermaßen ziemlich gut.

Werd ich nie vergessen. MC 900 ft Jesus wars, das letzte Album, und ich werd nie kapieren, warum ich das nicht gleich bemerkt hab, wie toll das Ding ist.

Und ich erinnere mich auch noch gut daran, dass ich dereinst die DJ Kicks vom Trüby ziemlich verrissen habe, ich vermute mal wegen der peinlichen Haartracht und der klischeetriefenden Coverfotografie. Heute liegt sie immer noch ab und zu in meiner Plattenkiste, wenn ich freitags auflegen gehe. Da hab ich ein richtig schlechtes Gewissen (auch wenn ich weiß, dass meine Plattenkritik nichts angerichtet haben dürfte).

Andererseits hab ich ja auch das eine oder andere Album im Affekt bejubelt, von dem ich dann Wochen später feststellen musste, dass der Jubel unberechtigt war. Das letzte James Hardway Album zum Beispiel. Hoffentlich hat das keiner auf mein Anraten hin gekauft und denkt sich nun, dass ich ja nun rein gar keinen Geschmack habe oder so.

Also gleicht sich das alles irgendwie aus, wie bei den Fehlentscheidungen beim Fußball zum Beispiel. Da fliegt ja auch schon mal der Falsche vom Platz.

Also Vorsicht beim Verriss. So hab ich auch die neue Röyksopp (nervig: ich muss mich immer wieder vergewissern, dass ich das ö an die richtige Stelle setze) nach der ersten großen Enttäuschung erst einmal zur Seite gelegt. Könnte ja sein, dass ich nur nen schlechten Tag hatte. Oder eben dass mich das mit dem Ö ärgert. Scheiß Name, nun wirklich. Aber das tut ja nichts zur Sache.

Heute hab ich mir vorgenommen, das Album wieder aus der Ecke zu kramen und mit ein wenig Abstand neu zu betrachten. Schön alle vier Seiten, ein Stück nach dem anderen. Ich hab auch extra für ein positives Ambiente gesorgt, mit lecker dampfendem Milchkaffee, ein paar Häppchen, sogar die Heizung läuft, draußen ist es schon ganz schön röyksopp.

Also los. Am Anfang steht der Hit. “Only This Moment”. Wenn ich jetzt sage, dass das Popmusik ist, dann schrecke ich schon fast wieder zurück, weil man das ja auch als eine Art Beleidigung auffassen könnte. Ich erinnere mich an die vielen Show-Auftritte der beiden Röyksköppe, die immer als so energetisch bezeichnet werden, weil sie da so wild an ihren Tasteninstrumenten herumhüpfen. Das ist wieder so ein Ding, bei dem sie munter hüpfen können, poppig, radiotauglich, nicht wirklich peinlich, schnell konsumiert, fast wie beim ersten Album.

Also eigentlich noch kein Grund zur Beunruhigung. Auch beim zweiten Stück, “49 Percent”, kommt noch keine allzu große Sorge auf. Ganz wenig Schlagzeug, dafür um so mehr Gesang und Streicher und ne hüpfende Bass Line. Nicht unoriginell eigentlich. Und doch denkt man die ganze Zeit, gleich gehts los, gleich hauen sie so richtig rein. Doch dann ist nach gut fünf Minuten Intro das Stück vorbei. Da haben sie ne echte Chance vergeben.

Dann die drei. “Beautiful Day Without You”. Entspanntes Tempo, einfache Synthimelodien, weichgespülte Gesänge, und zum ersten Mal ärgere ich mich ein wenig, dieses schleimige Gefühl von jetzt sollen wir alle mal ne Runde träumen kommt hoch, oder noch schlimmer, die Erkenntnis, dass derartig banale Melodien und Rhythmusstrukturen eigentlich nur ein paar Harmoniewechsel von Modern Talking entfernt liegen. Da kann ich wohlwollend sein wie ich will, das ist einfach peinlich.

So. Nächste Seite. “What Else Is There?” heißt das nächste Stück. Besser hätte ich meine momentane Stimmung auch nicht betiteln können. Es singt: Karin Dreijer. Man sagt, sie sei in Röyksopps Heimat Norwegen durchaus bekannt, wir können allenfalls feststellen, dass sie eine ungewöhnliche Stimme hat, die ganz gut ins träumelnde Songkonzept passt. Wieder viele Streicher, viel Raum, und die getragene Stimmung eines Liedes, von dem wir dann sagen sollen, es sei inspirierend oder uplifting oder so.

Luft holen, am Kaffee nippen, beruhigen, das wird sonst unfair.

Lassen wir uns auf das fünfte Stück ein: “Follow My Ruin”. Rockiger Schlagzeugsound, flottes Tempo, Discoeffekte. Man kann sich fragen, warum man dazu so einen Eunuchengesang braucht. Oder warum man so dünne Synthesizer Lines so weit nach vorne mischt.

Das ist wohl der deutlichste Unterschied zum ersten Album – es wirft ständig Fragen auf, was soll das, was soll mir das sagen, es ist als ob einer was ganz wichtiges sagen will und einfach nicht auf den Punkt kommt.

Seite 3. “Circuit Breaker”. Mal wieder was flottes. Schließlich braucht man ja auch was für die Bühne zum Anheizen, einen Nachfolger für “Poor Leno”. Das ist so ein Stück, bei dem man zwischendurch mal wieder sagen kann, ja, nett. Ein ordentliches Albumstück, das eigentlich nicht zu den Highlights zählen sollte, was es in diesem schon jetzt nicht wirklich begeisternden Album aber zweifellos tut.

“Sombre Detune” folgt. Leicht sperrige Elektromelodie mit passenden Elektrodrums und schrägem Synthiteppich. Damit es nicht zu unharmonisch wird, angereichert durch ein paar hübsche Flächensounds. Mehr kann man zu diesem Titel eigentlich nicht sagen. Füllmaterial.

Weiter. “Someone Like Me” folgt, und ich habe Probleme, mein Frühstück bei mir zu behalten. Jetzt rächt es sich spätestens, dass man dieses Mal auf die gesangliche Unterstützung von Erlend Oye verzichtet hat. Der kann auch nicht so toll singen, tut das aber mit Herz. Und das auf diesem Titel wirklich kaum erträgliche Gesäusel an billigem Mitklatschrhythmus ist so weit vom Charme eines Herrn Oye entfernt wie die Pet Shop Boys von New Order. Ich möchte nicht wissen, was ich geschrieben hätte, wenn ich die Platte sofort nach Erhalten besprochen hätte.

Aber jetzt in den Endspurt, vierte Seite, es muss doch was zu loben sein. “Triumphant”, der nächste Titel, ist es wohl nicht. Am Anfang eine Klavieretüde, dann eine Art Wienerwalzerbeat mit Elektroanreicherung und Glockenspiel. Wieder die Frage, was das soll – haben wir uns hier von klassischer Musik inspirieren lassen? Dann noch ein dickerer Beat, man haut mächtig auf die Becken, lässt ordentlich die digitalen Chöre johlen und die Synthis quäken. Immerhin, das ist durchaus konsequent und findet auch ein passendes Ende. Respektabel.

Danach geht es mit “Alpha Male” wieder knackiger zu, wenn auch nicht ohne synthetische Traumsequenz im Intro, das fast ein Drittel der Spielzeit einnimmt. Danach wird wieder ein sehr gerader Beat geklopft, auf dem sich prächtig der gern praktizierte Harmoniewechsel üben lässt. Dynamisch, doch doch. Reicht das für die Tanzfläche? Man darf es bezweifeln. Vielleicht eher in Ausschnitten für Vertonungen im Fernsehen. Das ist ja auch schon mal was, und mit gut acht Minuten gibt es auch mehr als genug Futter.

Vorletztes Stück. “Dead To The World”. An das erinnere ich mich noch. Das war schon beim ersten Hören mein Favorit. Ein luftiges Stück ambientöser Unterhaltung, das zwar ein wenig sehr an Brian Enos Apollo Soundtrack erinnert (“Deep Blue Day” war hier sicher das Vorbild), aber zumindest in seiner Entrücktheit so etwas wie Schönheit in sich trägt und sich selbst durch die kurzen Gesangssequenzen nicht stören lässt.

Wie leicht ich doch zu versöhnen bin. Wenn auch nur für ein paar Minuten, denn leider ist es nicht das letzte Stück auf diesem Album. Als hätten sie gedacht, sie müssten noch einen drauflegen (und das ist ja nur selten eine gute Idee), schieben die Herren noch ein kurzes Stück elektronisch adaptierter Klassik hinterher. Nicht wirklich ärgerlich, aber wenn dieses Album etwas nicht brauchte, dann sind das eineinhalb Minuten Möchtegernbeethoven. Das hätte nur dann Sinn gehabt, wenn es noch mehr davon gegeben hätte, wenn da ein Konzept erkennbar gewesen wäre. So ist es ein einsamer Epilog ohne Bezug zu den übrigen Stücken des Albums.

So. Das wars. Ich vermute, dass ich dieses Album nicht noch einmal in Gänze hören werde. Vielleicht mache ich mir mal den Spaß und probiere, wie sich “Dead To The World” und “Deep Blue Day” in einem Ambient Set nebeneinander anhören. Aber für mehr wird es wohl nicht reichen.

Urteil bestätigt, laues Album. Lauter unverständliche Botschaften, lauter unklare Appelle, ein Album, das so bedeutungslos ist wie das pseudoneosurreale Cover. Ab ins Regal. Ungenügend.

RÖYKSOPP – THE UNDERSTANDING – Virgin/Labels/Wall of Sound – WALL LP 035 – 2/10

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